Es ist Freitag. Mitten in der fünften Stunde. Englischunterricht. Kinder führen gerade ein Theaterstück vor ihrer Klasse auf. Auf einmal brechen 35 Schüler in großes Gejubel aus.

Was ist passiert?
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
Exakt: Die ersten Schneeflocken fallen vorm Fenster.

So weiß man frau Referendar, was einen in der nächsten Zeit noch erwarten wird...

Das kann ja heiter werden.

Es ist eine der letzten Stunden des Tages. Chemie in einer Sieben. Ich hospitiere. Die Konzentration der Klasse ist mittelmäßig.

Die Jungs in der letzten Reihe sehen Miss Panikmache (Reffi-Kollegin) auf dem Parkplatz zum Auto gehen.
Schüler X: "Boah. Die Panikmache. Mein Gott. Man sieht ja jetzt erst, wie fett die ist. Die sieht aus wie ein Kartoffelsack." Ich grinse in mich hinein, weil ich durchaus ähnlich böse unfreundliche Gedanken hege.
Einen Augenblick später bemerkt Schüler X meine Anwesenheit hinter ihm: "Uups. Sie sagen das doch nicht weiter, oder Frau Tungsten?" Ich: "Nein. Aber das ist wirklich nicht nett zu sagen. Und lass das niemals Frau Panikmache hören..." *innerlichräusper*

---

Eher gegen Ende der Stunde. Ich beobachte nun das bunte Treiben Unterrichtsgeschehen, notiere einige Verhaltensweisen der Schüler und versuche, nebenbei einen Sitzplan zusammenzustellen. Die Namen der Jungs direkt vor mir habe ich natürlich schnell heraus. (Notiz am Rand des Sitzplans: laute, unaufmerksame Bank) Schüler Y sieht, dass ich den Sitzplan male und tuschelt das seinem Nachbarn zu. Ich:"Du kannst den gerne zuende ergänzen." Schüler Y:"Kein Problem." Und macht sich an die Arbeit. Leider vergaß ich Dummerchen meine Randnotiz, die von den vier Jungs natürlich sofort ganz neugierig gelesen wurden. Natürlich kamen gleich Proteste. Grinsend sagte ich:"Das ist nun mal mein Eindruck von euch heute. Ihr könnt ja nächstes Mal zeigen, dass der falsch war."
Es ließ sie die ganze Stunde nicht mehr los. :-D

---------------------------
Nachtrag nach der nächsten Stunde: Die vier Jungs vor mir waren die reinsten Engel... Mal sehen, wie lange das so bleibt! :-)

Ich habe nun also in meiner ersten offiziellen Woche an meiner eigenen Schule schon den Vertreter gemacht. Die Kleinen waren lieb und machten mit. Die mitten in der Pubertät steckenden Teenies waren genau das Gegenteil. Gearbeitet hat maximal die Hälfte der Klasse.
Bei Erwähnung der Hausaufgaben kam dann folgende Reaktion:
"ooooh nöööö. Frau Tungsten. Das ist ja soooooo viel."
Ich:"Ach, die meisten Aufgaben sind schnell beantwortet und gerechnet."
Schüler: "Sie machen sich damit aber nicht wirklich beliebt. Das wissen sie?"
Ich: " Ja. Und???"
Da guckten sie doof. *grins*
Als wenn ich dicke Freunde mit denen werden wollte....

Kaum war ich an der Schule angekommen, da hieß es auch schon: "Oh, dann kannst du mich in zwei Wochen vertreten, wenn ich auf Klassenfahrt bin." Uuuf!
Aber genau das werde ich jetzt nächste Woche machen: eine Fünf und eine Neun (die Chaosklasse schlechthin). Und dann gucke ich mal, wo ich nach den Herbstferien selber loslege mit eigenem Unterricht.

Während ich mich noch immer in meinen Intensivphasen befinde (Reffis sollen ihre Fachleiter und deren Unterrichtsarten kennenlernen), lassen sich schon ein paar Dinge feststellen:

Meine neuen Kollegen machen bisher fast alle einen ganz netten Eindruck. Eine davon, Miss Wuppertal, hat mir schon ganz kräftig beim Streichen (Teil 2), beim Verstauen des Pax-Kleiderschrank in mein kleines aber feines Autochen und Rauftragen eben solchens in meine Wohnung geholfen (auch das 50kg-Paket haben wir wir irgendwie gestemmt bekommen).

Mein Vizechef kommt bei mir aus der Heimat (ganz knapp um die Ecke).

Kuriose Namen von Mitmenschen sind mir auch schon untergekommen:
Amarene (heißt das nicht Amarenakirsche?!?)
Donald (aber nicht Duck)
Joyce (paßt so zu Jackeliene und Käviiiin)

In meiner ersten offiziellen Woche an meiner Schule darf/kann/muss ich gleich Vertretungsstunden halten.

Die Schüler sind heutzutage sehr applaudierfreudig.